Change Management und Digitale Transformation
Anne Höhnel
Die Digitalisierung ist das Thema der heutigen Zeit und sie begegnet uns nahezu in allen Bereichen des Lebens. Sie wird als unumgänglich bezeichnet und gilt als Wegweiser für unsere zukünftigen Handlungen.
Für Unternehmen stellt die digitale Transformation jedoch auch eine große Herausforderung dar und geht einher mit vielen Veränderungen. Systematisch verlaufende Veränderungsprozesse sind hierbei wichtige Stellgrößen für den Erfolg von Unternehmen. Doch ist diese Aufgabe keinesfalls trivial, da Veränderungsprojekte oft anders als geplant ablaufen, von Komplexität geprägt, unkalkulierbar und überraschend sind. Veränderungsprozesse nehmen nicht allein Einfluss auf Zahlen und Fakten, sondern wirken des Weiteren als sozialer Prozess, also auch auf die Gefühle und Verhaltensweisen des Menschen. Aus diesem Grund spielt auch Vertrauen eine wichtige Rolle.
In dieser Ausgabe von »Nachgelesen« erfahren Sie:
- wieso Veränderungsprozesse eine aktuell essenzielle Unternehmensaufgabe sind,
- welche Herausforderungen und Auswirkungen an die Veränderungen gekoppelt sind und
- auf welche Faktoren Sie bei Veränderungsprozessen unbedingt Wert legen sollten.
Veränderung braucht Vertrauen
Fundamentale wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Veränderungen haben in den letzten Jahren die Bedingungen, unter denen Unternehmen operieren, stark beeinflusst. Die Dynamik der Unternehmensumgebung, die u. a. durch die Globalisierung der Märkte, die Entwicklung neuer Technologien und der damit verbundenen digitalen Transformation einhergeht, forciert den vorherrschenden Wettbewerbsdruck.
Für Unternehmen bedeutet dies, sich nicht nur reaktiv an ihre Umgebung anzupassen. Sie müssen vielmehr proaktiv handeln, um am Markt dauerhaft existieren zu können. Das bedeutet, neben permanenten Anpassungen, sind auch Veränderungsprozesse im Unternehmen keine Seltenheit.
Im Hinblick auf präsente Themen, wie Industrie 4.0, ist es von besonderer Relevanz, aktuelle Entwicklungen um und im Unternehmen stetig im Auge zu behalten und wenn notwendig, Veränderungsprozesse anzustreben.
Bei der Planung und Durchführung solcher Veränderungsprozesse ist das Vorhandensein einer belastbaren Vertrauenskultur von immenser Bedeutung. »Treiber« und »Träger« aller Handlungen ist der Mitarbeiter, der allein und im Team Veränderungspotenziale identifiziert, Lösungen entwickelt und diese umsetzt. Besonders wichtig ist es hierbei, dass die Beteiligten die Veränderungen akzeptieren.
Sehen Arbeitnehmer keinen Sinn in einem Veränderungsvorhaben, sind angestrebte Veränderungsprozesse von Beginn an zum Misslingen verurteilt. Gründe könnten z. B. fehlendes Vertrauen in die Geschäftsführung wegen bereits gescheiterten Projekten sein oder eine mangelnde Aufklärung bezüglich neuer Technologien oder Abläufe.
Herausforderung und Auswirkungen
Um also in einer immer komplexeren und sich ständig verändernden Unternehmensumgebung wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es notwendig, Strategien, Ziele und Prozesse fortwährend zu hinterfragen und kontinuierlich zu verbessern. Jede Veränderung bedeutet, alte, vertraute Verhaltensmuster zu verlassen und sich auf Neues, Ungewisses einzulassen.
Dieser Prozess ist immer mit Emotionen der Beteiligten verbunden, wie beispielsweise Euphorie oder Angst, welche häufig Auslöser für Konflikte und Widerstände bilden. Der Veränderungsprozess kann durch die sogenannte Veränderungskurve, welche in Abbildung 1 dargestellt ist, beschrieben werden. Sie ist ein Modell, welches die Leistung der Mitarbeiter im zeitlichen Verlauf der Veränderung darstellt.

Diese Veränderungskurve beinhaltet die folgenden Phasen:
- Schock – Je nach Veränderungsform reagieren Menschen auf Neuerungen schockiert, wenn sie diese nicht selbst steuern können. Hervorgerufen wird dies durch die Befürchtung, einen Verlust zu erleiden, auch wenn es sich teils nur um „Kleinigkeiten“ handelt. Hier kann seitens der Führungskräfte zunächst nicht viel unternommen werden. Die Betroffenen gehen automatisch in die Verneinungsphase über.
- Verneinung – In der Phase der Verneinung will man die Veränderung nicht wahrhaben bzw. vordergründig nicht wahrhaben, dass diese unausweichlich ist. Häufig arbeitet man weiter wie bisher. Typische Reaktionen hierauf sind Verdrängung, Wegschauen, Ausblenden, Verharmlosung oder Apathie. Führungskräfte sollten darauf achten, die Dringlichkeit der Veränderung klar und deutlich zu kommunizieren. Das zu beseitigende Problem sollte allen betreffenden Mitarbeitern klar sein.
- Widerstand – Hierauf folgt Widerstand angesichts der Veränderung. Dieser kann rational oder emotional erfolgen und sich auf den Verlust alter Gewohnheiten oder auf den empfundenen Zwang zu neuen Abläufen beziehen. Reaktionen hierauf sind insbesondere Verzweiflung, Wut, Frust, selbst Sabotagen (im kleinen Stil), Trauer oder schlechte Leistungen. Diese Phase dauert gefühlt besonders lang („Tal der Tränen“). Sie mündet meist in Akzeptanz aufgrund von Einsicht hinsichtlich der Veränderung oder aber hinsichtlich der Unabänderlichkeit des Veränderungsprozesses. Führungskräfte können hier nur mit glaubwürdigem Verständnis reagieren. Das Wichtigste in der Phase ist das aktive Zuhören. Erst danach kann der Widerstand auch kanalisiert werden.
- Anpassung – Nun folgt die Phase der Anpassung. Die Mitarbeiter beginnen wieder nach vorn zu schauen. Da es sich jedoch um Neuerungen handelt, folgt zunächst die Phase des Ausprobierens, in der eine gewisse Planlosigkeit beim Umgang mit der Veränderung üblich ist. Dies führt zunächst zu Fehlern, Unsicherheiten und beinhaltet das Risiko zum Rückfall in den Widerstand. Überwindet man diese Phase, folgt die Erkenntnis über den Nutzen der Veränderung. Neben der weiterhin wichtigen Kommunikation können Führungskräfte behutsam diese Lernphase durch Coaching steuern und fördern. Erfolge sollten noch stärker kommuniziert und eine Plattform zur vereinfachten Mitarbeiterkommunikation geschaffen werden.
- Identifikation (Commitment) – Erst nach Abschluss des Veränderungsprozesses bildet sich die Routine im Arbeitsablauf heraus. Nun wird auch der Nutzen der Veränderung endgültig verinnerlicht und wieder hundertprozentige Effizienz erbracht. Reaktionen nach den vorhergehenden, zermürbenden Phasen sind Selbstvertrauen, Erfolgsbewusstsein und Zufriedenheit.Führungskräfte sollten die erfolgreiche und wiederholte Umsetzung der neuen Prozesse hervorheben, belohnen und so die Dauerhaftigkeit des neuen Verhaltens sichern. Bezüglich des neuen Ablaufs sollte jedoch die Kommunikation weiterhin ganz oben stehen. Abbildung 1 verdeutlicht, dass die Leistung stark davon abhängig ist, ob dem Veränderungsprozess Widerstand oder Verständnis durch die beteiligten Mitarbeiter entgegengebracht wird. Ist die Akzeptanz für die Veränderung gering oder bestehen Widerstände gegenüber dem Vorhaben, liegt oft eine geringe Mitarbeiterleistung vor. Dies ist insbesondere zu Beginn der Veränderung zu beobachten. Im weiteren Verlauf des Prozesses steigt die Leistung wegen zunehmender Akzeptanz kontinuierlich an. Da der Erfolg einer Veränderung und damit des Unternehmens wesentlich von der Bereitschaft aller Beteiligten abhängt, sollten auftretende Ängste und Widerstände frühzeitig erkannt und darauf angemessen reagiert werden.
Im folgenden Abschnitt werden verschiedene Handlungsempfehlungen gegeben, die eine Hilfestellung für eine erfolgreiche Bewältigung von Veränderungsprozessen sind.
Veränderungsprozesse gestalten
Es gibt verschiedene Faktoren, die den Erfolg von Veränderungsprozessen[2] entscheidend beeinflussen, siehe Abbildung 2.

Beispielsweise sollten Vertrauen, Kommunikation und Transparenz sowie Mitarbeiterpartizipation von den Führungskräften explizit berücksichtigt werden.
Vertrauen gilt während Veränderungsprozessen als zentraler Faktor. Gemeint ist einerseits das Vertrauen der Mitarbeiter in die Kompetenzen der Entscheidungsträger, ihre Integrität und Zuverlässigkeit sowie das Vertrauen in die Arbeit des Teams. Anderseits muss die Führungskraft auch Vertrauen den eigenen Mitarbeitern entgegenbringen und Zuversicht gegenüber dem Veränderungsvorhaben ausstrahlen. Um das Vertrauen und eine gute Zusammenarbeit beizubehalten oder zu stärken, ist ein offener und ehrlicher Umgang unumgänglich.
Auch die Umsetzung der Digitalisierung im Unternehmen braucht diese Offenheit, da die Wahrung von Datenschutz und der Persönlichkeitsrechte eine große Rolle spielen.
Doch wie kann Vertrauen im Unternehmen verankert werden?
Um Vertrauen aufzubauen bzw. zu erhalten, sind Kommunikation und Transparenz von immenser Bedeutung. Nur eine gezielte, stabile und vorausschauende Kommunikation kann, insbesondere während Veränderungsprozessen, Missverständnisse, Ablehnung, Frustration und Ärger vermeiden bzw. Ängste abbauen. Generell sollten Informationen zeitnah, kontinuierlich und adressatengerecht gegeben werden.
Des Weiteren ist die klare Darstellung der Ziele, der Bedeutung bzw. des Nutzens des Prozesses von großer Relevanz, um das Verständnis der Betroffenen zu erreichen. Außerdem sollten getroffene Entscheidungen kommuniziert, begründet und eingehalten sowie eine zeitliche Orientierung des Ablaufes gegeben werden.
Es ist weiterhin von Bedeutung, dass sowohl Erfolge als auch Probleme und Misserfolge klar dargestellt werden. Mitarbeiter fühlen sich beispielsweise verunsichert, wenn negative Nachrichten zurückgehalten werden und stellen folglich das Vertrauen in die Integrität und die Zuverlässigkeit der Führungskraft in Frage.
Auch Partizipation der Mitarbeiter ist unabdingbar, um Veränderungsprozesse vertrauensvoll und erfolgreich durchzuführen. Die aktive Beteiligung der Mitarbeiter bewirkt, dass sich diese mit dem Vorhaben identifizieren und die Motivation gesteigert werden kann. Gestaltungsspielräume können beispielsweise bei der Entscheidungsfindung oder bei der Entwicklung geeigneter Lösungskonzepte gegeben werden. Mithilfe von Workshops, Brainstormings, Gruppendiskussionen und anderen Kommunikationsforen kann das kollektive Erfahrungswissen optimal genutzt und eine qualitativ gute Lösung gefunden werden. Auch die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter sollten erfragt und ernst genommen werden.
Gerade den Herausforderungen der digitalen Transformation könnte so erfolgreich begegnet werden. Die Mitarbeiter werden aktiv in den Veränderungsprozess involviert, können Themen wie die Digitalisierung vorantreiben und tragen zudem zur positiven Entwicklung des Unternehmens bei.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Planung und Durchführung von Veränderungsprozessen alle Unternehmensbereiche betrifft und folglich eine komplexe Aufgabe für die Führungskräfte darstellt.
Anmerkungen
Quellen und weiterführende Literatur
- Wagner, E. (2010). Wie erfolgreiche Veränderungskommunikation wirklich funktioniert?!: Das change Factory Prinzip: Erprobt. Erfolgreich. Einfach. 1. Auflage. Pro Business Verlag.
- Kostka, C., & Mönch, A. (2006). Change Management: Methoden für die Gestaltung von Veränderungsprozessen. 3. Auflage. In G. Müller-Prothmann, & D. (Hrsg.), Pocket Power. München: Hanser.
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Autor
Dipl. Wirt.-Ing. Anne Höhnel studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Chemnitz und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Chemnitzer Professur Arbeitswissenschaft & Innovationsmanagement. Im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz beschäftigt sie sich mit den Themen moderne Arbeitswelten, Arbeit 4.0 und Usability.
anne.hoehnel@betrieb-machen.de
Weitere Informationen
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