Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22.02.2019 – 6 W 9/19
Zum Sachverhalt – kurz zusammengefasst:
Die Antragstellerin ist Teil eines bedeutenden Internetversandhandels. Dieser verkauft nicht nur selbst Produkte, sondern betreibt auch einen Onlinemarktplatz, auf dem Drittanbieter ihre Waren zum Verkauf anbieten können. Dort haben Kunden außerdem die Möglichkeit, gekaufte Waren zu bewerten.
Die Antragsgegnerin bietet auf ihrer Internetseite Drittanbietern Bewertungen für deren Waren an. Sie sorgt sozusagen für Produktbewertungen, indem sie den Drittanbietern bewertende Kunden vermittelt und deren Bewertungen auf dem Onlinemarktplatz veröffentlicht. Die Kunden bekommen zuvor das zu bewertende Produkt zugesandt und dürfen dieses als Gegenleistung für ihre Bewertung behalten, teilweise gegen ein geringes Entgelt.
Die Antragstellerin verlangt nun, dass solche „gekauften“ Rezensionen nicht mehr eingestellt werden, wenn nicht für den Leser sichtbar wird, dass der Drittanbieter die Bewertung in Auftrag gegeben und der Kunde für seine Bewertung eine Gegenleistung bekommen hat.
Relevanz für Unternehmen:
Die Empfehlung eines zufriedenen Kunden ist eine besonders aussagekräftige Werbung. So scheint es naheliegend, ein Angebot wie das der Antragsgegnerin zu nutzen und eine Bewertung in Auftrag zu geben. Das Oberlandesgericht (OLG) arbeitet in seinem Beschluss jedoch heraus, dass ein solches Vorgehen wettbewerbswidrig ist.
Entscheidungsgründe:
Nach § 3 Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Unlauter handelt wer wesentliche Informationen, die zur Kaufentscheidung beitragen können, vorenthält (§ 5a Abs. 2 UWG) oder wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen (werbenden) Handlung nicht hinreichend kenntlich macht (§ 5a Abs. 6 UWG).
Regelmäßig erkennt der durchschnittliche Verbraucher Werbemaßnahmen, wie eine Plakatwerbung oder eine Radiowerbung sofort als solche – der werbende Charakter drängt sich ihm geradewegs auf. Problematisch wird es allerdings dann, wenn die Werbung „versteckt“ wird und der Kunde sie deshalb nicht als solche wahrnehmen kann, wie hier bei den Produktbewertungen im Internet.
Die übliche Erwartungshaltung eines Durchschnittsverbrauchers ist, dass jemand die Produktbewertung schreibt, weil er das Produkt freiwillig erworben hat und nun ohne nennenswerte Anreize über seine Erfahrungen berichten möchte. Auch wenn Produktbewertungen im Niveau variieren und manchmal sehr subjektiv geprägt sein mögen, betrachtet der Leser die Bewertung als eine grundsätzlich neutrale und vom Verkäufer unabhängige Stellungnahme. Der Durchschnittsverbraucher wird sie gerade nicht als Werbemaßnahme des Verkäufers ansehen.
Wurde eine Produktbewertung aber „erkauft“, ohne dass darauf explizit hingewiesen wird, irrt sich der Leser definitiv über die Absichten des Bewertenden. Ihm wird – über den Umweg der Bewertung – eine „Werbemaßnahme“ quasi untergeschoben. In dem Glauben, eine authentische und unabhängige Bewertung gelesen zu haben, wird der Kunde ggf. zu einer Kaufentscheidung veranlasst, die er ohne diese Bewertung nicht getroffen hätte. Wäre nämlich die Bewertung als „Meinung gegen Entgelt“ gekennzeichnet worden, würde der Durchschnittsverbraucher den Bewertungstext sowie die Produktbeschreibung sicher deutlich kritischer hinterfragen und sich womöglich auch nicht mehr zu einem Kauf entschließen.
Mit der „erkauften Bewertung“ wird jedenfalls auf die Kaufentscheidung des Kunden Einfluss genommen. Geschieht dies obendrein verdeckt, also ohne dass darauf hingewiesen und es dem Kunden erkennbar wird, ist das Handeln als unlauter einzustufen.
Hinweis: Der Beschluss des OLG Frankfurt am Main wird gemeinsam mit weiteren relevanten Entscheidungen von Prof. Dr. Dagmar Gesmann-Nuissl ausführlich in der Zeitschrift für Innovations-und Technikrecht (InTeR), Heft 02/2019, Seiten 79 bis 100, besprochen.
Autoren: Dagmar Gesmann-Nuissl, Julian Kanert | Juli 2019