Das Internet ist aus dem Privat- und Arbeitsleben der Menschen nicht mehr hinwegzudenken. Dieser Umstand dürfte nicht neu sein. Ob in der Bahn, im Café oder im Wartezimmer: in einer digitalisierten Gesellschaft ist es Gang und Gäbe, an all diesen Orten mittels Tablet oder Handy zu arbeiten, Informationen auszutauschen oder das Internet zur Unterhaltung zu nutzen.
Kunden und Gäste von Unternehmen erwarten daher heute einen freien Zugang ins Internet. Um diese Erwartungen zu erfüllen, überlegen möglicherweise auch KMU in ihren „Publikumsräumen“ freies WLAN zur Verfügung zu stellen.
Aber nicht nur die Kunden und Gäste profitieren von einem Internetzugang, sondern auch im Arbeitsalltag gehören Telefon-Konferenzen via Internet und EDV-basierte Büroorganisation heute fast selbstverständlich dazu.
Was aber passiert, wenn Internetnutzer im frei zugänglichen WLAN die Ebene des Erlaubten verlassen und über den Zugang zum Beispiel Filesharing betreiben? Üblicherweise werden zunächst an den Anschlussinhaber Ansprüche wegen Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten gestellt. Aber muss dieser tatsächlich haften, wenn sich der Benutzer selbst nicht zu erkennen gibt und auch nicht mehr ermittelt werden kann?
Was gilt, wenn Mitarbeiter vom Arbeitsplatz aus Rechtsverletzungen im Internet begehen?
I. Rechtsverletzung über freies WLAN
Soweit Anbieter eines WLAN-Zugangs nur den Zugang anbieten, ist ihr Risiko überschaubar. Sie können nur ausnahmsweise auf Sperrmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Die Gerichte sollen einschneidende Nutzerregistrierungen, Passwortsperren oder Einstellung des Zugangs nur anordnen, wenn mildere Maßnahmen die Rechtsverletzungen nicht beenden konnten.[1]
Ob die freiwillige Einrichtung eines offen kommunizierten Passworts sinnvoll sein kann, um ein höheres Schutzniveau zu erreichen, ist fraglich: Nach der Erfahrung des Verfassers werden die Passwörter zu freien Internetzugängen an öffentlichen Orten bereitwillig herausgegeben und bekannt gemacht. Darüber hinaus sichert auch ein Passwort nicht zu 100%. Denn solange der Nutzer seine Anonymität gewahrt weiß, wird ihn ein einfach zu erfahrendes Passwort wohl nicht davon abhalten, Rechtsverletzungen über diesen Zugang zu begehen. Am Ende könnten nur Nutzerregistrierungen diese Anonymität aufheben. Sie sind allerdings mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden.
2017 wurde das Telemediengesetz (TMG) geändert. Die Änderung sollte eine Rechtslage schaffen, die den Ausbau von frei zugänglichem WLAN im öffentlichen Raum anregt. Um keine „Angst-Barrieren“ aufzubauen, soll derjenige, der WLAN frei zur Verfügung stellt, grundsätzlich nicht für die Rechtsverletzungen der Nutzer (z.B. bei einem Filesharing) haften. Die freie Verfügbarkeit von Internet darf außerdem nicht durch behördlich verordnete Passwortpflichten oder Nutzerregistrierungen geschwächt werden.[2]
1. 8 TMG: Keine Verantwortlichkeit, keine Haftung
Wer nichts weiter tut, als einen freien Internetzugang zur Verfügung zu stellen, ist also nicht für die Inhalte verantwortlich, die durch die Nutzer über diesen Zugang gesendet und empfangen werden, § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG. Ein Anbieter wäre für Inhalte oder rechtswidriges Handeln über den Internetanschluss nur verantwortlich, wenn er mehr tut als bloß die technische Übertragung der Informationen zu ermöglichen. So darf er beispielsweise nicht die Übermittlung veranlassen oder übermittelte Informationen und Adressaten beeinflussen.[3] Dann würde die Haftungsprivilegierung entfallen.
Ist aber der Anbieter nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG für die Inhalte nicht verantwortlich, muss er bei Rechtsverletzungen auch keinen Schadensersatz leisten oder Abmahnkosten erstatten. Er ist auch nicht zur Beseitigung und Unterlassung verpflichtet.
8 Abs. 3 TMG stellt zudem klar, dass diese Befreiung von Verantwortlichkeit auch für diejenigen gilt, „die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen“.
Selbstverständlich gilt all das nicht mehr, wenn der Anbieter und der Nutzer in schadensbringender Weise zusammenarbeiten!
2. § 7 Abs. 4 TMG: Der Sperranspruch
Völlig befreit von Pflichten ist der Anschlussinhaber dennoch nicht. Immerhin wurde über den von ihm frei zur Verfügung gestellten Interzugang ein fremdes Recht am geistigen Eigentum verletzt!
Um den Rechteinhabern bei Rechtsverletzungen, die unter Benutzung freier Internetzugänge begangen wurden nicht jeglichen Rechtsschutz zu nehmen (der Nutzer, der das Werk hochgeladen hat, wird meist nicht mehr greifbar sein), wurde der Sperranspruch gemäß § 7 Abs. 4 TMG geschaffen. Diese Vorschrift gilt (das hat der Bundesgerichtshof klargestellt), nicht nur für die Anbieter von freien Zugängen über WLAN, sondern auch für diejenigen anderer Internetzugänge.[4]
Danach kann der Inhaber eines Rechts (z.B. eines Urheberrechts) von dem Anbieter des Internetzugangs die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, um der Rechtsverletzung abzuhelfen – insbesondere der Verletzer nicht mehr auffindbar ist.
Die Sperrung muss nach § 7 Abs. 4 Satz 2 TMG zumutbar und verhältnismäßig sein.
Ein Anspruch auf Ersatz der vor- und außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten besteht dabei grundsätzlich aber nicht, § 7 Abs. 4 Satz 3 TMG. Nur wenn Anbieter und Nutzer zusammengearbeitet haben, um absichtlich das Recht eines Dritten zu verletzen, können diese Kosten vom Anbieter ersetzt verlangt werden.
Was muss man tun, um diesen Sperranspruch zu erfüllen?
Nach dem Regierungsentwurf kommen Portsperren oder die Sperrung bestimmter Internetseiten in Betracht.[5]
Auch der Bundesgerichtshof hat sich hierzu geäußert.[6] Das Gericht sieht ebenfalls „Portsperren zur Verhinderung des Datenflusses zu und von einem Peer-to-Peer-Netzwerk“ als eine gangbare Möglichkeit an.
Die Karlsruher Richter gehen allerdings bei den Sperrmaßnahmen noch einen Schritt weiter. Nach deren Urteil können die Gerichte den Anbieter des WLAN-Zugangs zur Nutzerregistrierung, zur Passwortsicherung oder gar zur Einstellung des freien Internetzugangs verpflichten. Wegen § 8 Abs. 4 TMG können dies gegenüber WLAN-Anbietern aber nur die Gerichte anordnen, Behörden sind zu einer solche Anordnung ausdrücklich nicht berechtigt.
II. Rechtsverletzung am Arbeitsplatz
Bei Rechtsverletzungen am Arbeitsplatz sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Zum einen kann der Beschäftigte eine Rechtsverletzung (z.B. Eingriff in Urheberrechte) bei der Arbeit begehen, also in Zusammenhang mit der Erledigung seiner Aufgaben. Solche Rechtsverletzungen können zum anderen auch beim privaten „Surfen“ am Arbeitsplatz begangen werden.
Urheberrechtsverletzungen der Belegschaft bei Erledigung der Arbeit fallen nach § 99 UrhG mindestens teilweise auf den Inhaber des Unternehmens zurück. Deshalb sollte beim Internetauftritt des KMU immer darauf geachtet werden, welches Fremdmaterial verbreitet wird. Auch kurze Artikel, augenscheinlich einfache Fotografien oder Landkartenausschnitte können urheberrechtlich geschützt sein. Eine Erlaubnis des Urhebers, die Verwendung gemeinfreien Materials oder die strikte Verwendung nur eigener Schöpfungen können juristische Auseinandersetzungen vermeiden.
Wenn Arbeitnehmer bei der erlaubten privaten Nutzung des betrieblichen Internetzugangs Rechtsverletzungen begehen, kann auch an einen Widerruf der Erlaubnis gedacht werden.
1. Rechtsverletzung bei dienstlicher Nutzung und § 99 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG)
Filesharing bei Erledigung der Arbeit ist freilich eine eher theoretische Problematik. Realistischer ist es, dass bei Erledigung der Arbeit (zum Beispiel Betreuung des Internetauftritts des KMU) auf der Webseite des KMU Inhalte veröffentlicht werden, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen (z.B. eine Landkarte eines großen Kartenanbieters). Die Inhalte, die von Beschäftigten in Verbindung mit ihrer Tätigkeit ins Internet geladen werden, werden als eigene Informationen des KMU angesehen, welches die Internetseite betreibt, sodass dieses nach § 7 Abs. 1 TMG nach den Bestimmungen über das Urheberrecht, das Markenrecht o.ä. verantwortlich ist.[7]
Ist das verletzte Recht am geistigen Eigentum ein Urheberrecht, sieht § 99 UrhG eine spezielle Haftung des Unternehmensinhabers vor:
Wird in einem Unternehmen von einem Arbeitnehmer oder Beauftragten das Urheberrecht widerrechtlich verletzt, ist auch der Inhaber des Unternehmens der Urheberin zu Beseitigung und Unterlassung der Rechtsverletzung verpflichtet. Diese Verpflichtung ist für Fälle gedacht, in denen der Inhaber nichts von der Urheberrechtsverletzung weiß und nicht selbst nach §§ 97 Abs. 1, 98 UrhG haftet.[8] Der Inhaber ist zu Beseitigung und Unterlassen verpflichtet, nicht aber zu Schadensersatz. Ferner muss er meines Erachtens auch die Abmahnkosten nicht erstatten.
Die Begriffe „Unternehmen“, „Arbeitnehmer“ und „Beauftragter“ werden im Rahmen des § 99 UrhG sehr weit verstanden. Ein KMU ist jedenfalls erfasst. Arbeitnehmer können auch Personen sein, die unentgeltlich Tätigkeiten im Unternehmen ausüben.[9] Sollte der Inhaber des Unternehmens selbst die Voraussetzungen weiterer Haftungsvorschriften erfüllen, ist deren Anwendung neben § 99 UrhG möglich, § 102a UrhG.[10]
Bei Rechtsverletzungen, die nicht das Urheberrecht betreffen, haftet das KMU für eigene Inhalte i. S. d. § 7 Abs. 1 TMG, soweit die Voraussetzungen der jeweiligen Haftungsnorm vorliegen.
2. Rechtsverletzung bei privater Nutzung
Wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern auch eine private Benutzung des betrieblichen Internetzugangs bei der Arbeit gestattet, ist er wohl ebenfalls Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes.[11] Wenn also der Arbeitnehmer beim privaten „Surfen“ Filesharing betreibt, gilt auch hier die Regelung in § 8 TMG.[12] Dementsprechend kann der Arbeitgeber theoretisch auch nur einem Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG ausgesetzt sein. Dies aber wiederum nur dann, wenn der Arbeitnehmer, der die Rechtsverletzung begangenen hat, nicht ermittelt werden kann. Zur Umsetzung eines solchen Sperranspruchs kämen die bereits unter 1. genannten Möglichkeiten einer Portsperre oder eine Webseitensperre in Betracht.
Autor: Julian Kanert | Januar 2019
[1] BGH NJW 2018, 3779, 3785, Rn. 56.
[2] Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 18/12202, Seiten 1 und 2.
[3] Spindler in: Spindler/Schmitz: Telemediengesetz, 2. Auflage 2018, § 8 Rn. 11.
[4] BGH NJW 2018, 3779, 3783 f., Rn. 44- 49.
[5] Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 18/12202, Seite 12.
[6] BGH NJW 2018, 3779, 3785, Rn. 51- 55.
[7] Paal in: Gersdorf/Paal: Beck Onlinekommentar Informations- und Medienrecht, 1.5.2017, TMG § 10, Rn. 52, mit weiterem Nachweis.
[8] Dreier in: Dreier/Schulze: Kommentar zum Urheberrecht, 6. Auflage 2018, § 99, Rn. 1.
[9] Spindler in Spindler/Schuster: Recht der elektronischen Medien, 3. Auflage 2015, UrhG § 99, Rn. 4, mit einer ausführlichen Aufzählungen von Personen, die als Arbeitnehmer in Betracht kommen.
[10] Dreier in: Dreier/Schulze: Kommentar zum Urheberrecht, 6. Auflage 2018, § 99, Rn. 9.
[11] Ausführlich: Martini in Gersdorf/Paal: Beck Onlinekommentar Informations- und Medienrecht, 1.5.2017, TMG § 2, Rn. 10.
[12] Fn. 11.