Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27.2.2020, Az.: 2 U 257/19[1]
Zum Sachverhalt – kurz zusammengefasst
Das Verfahren hatte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche zum Inhalt. Die Besonderheit ist, dass sich das Urteil mit der Frage beschäftigt, ob Unterlassungsansprüche auf DSGVO-Verstöße gestützt werden können. Der Beklagte handelte über die Internetplattform Ebay mit KFZ Zubehör. Dabei informierte er seine Kunden nicht über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten, was nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aber notwendig ist.
Der Kläger ist ein Interessenverband des Onlinehandels, dem auch zahlreiche Händler von KFZ Zubehör angehören. Ziel der Klage war es den beklagten Händler zur Unterlassung seines DSGVO-widrigen Verhaltens zu verurteilen.
Relevanz für Unternehmen
Für Unternehmen ist diese Entscheidung relevant, da sich aus Abmahnungen Kosten ergeben können. Zwar ist durch § 8 IV UWG eine Abmahnung missbräuchlich und daher unzulässig, wenn diese nur dazu dient die Kosten der Rechtsverfolgung vom Abgemahnten ersetzt zu bekommen. Durch die Einführung dieser Vorschrift sollte die Tätigkeit von „Abmahnjägern“ eingedämmt werden. Allerdings sind Abmahnungen dadurch nicht gänzlich ausgeschlossen, wie auch der vorliegende Fall zeigt. Abmahnungen sind nach § 8 i.V.m. § 3 a UWG insbesondere bei Rechtsverstößen denkbar, die den Wettbewerb im Markt beeinträchtigen. Gerade im Onlinehandel wird der nicht konforme Umgang mit personenbezogenen Daten als besonders geeignet angesehen, sich unlautere Vorteile im Markt zu verschaffen. Deshalb werden die Regeln der DSGVO als sog. Marktverhaltensregeln i.S. des § 3a UWG eingestuft und können Abmahnungen begründen. Entscheidungen – wie die vorliegende – werden jedenfalls der Abmahnbranche Aufwind geben und erhöhen damit auch das Potential für Abmahnungen gegenüber Unternehmen, wenngleich eine abschließende Entscheidung des BGH noch aussteht. Dieser hat die rechtlich relevanten Fragen nunmehr in einem ähnlich gelagerten Fall dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt.[2]
Entscheidungsgründe OLG Stuttgart
Die rechtliche Frage, die das OLG Stuttgart zu beantworten hatte war, ob die DSGVO abschließende Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen vorsieht oder ergänzend wettbewerbsrechtliche Ansprüche nach dem UWG durch die Wettbewerber und Wettbewerbsorganisationen geltend gemacht werden können.
Das LG Stuttgart hatte dies noch verneint. Das Gericht erster Instanz vertrat die Ansicht, dass die DSGVO hinsichtlich der Sanktionsmöglichkeiten abschließend sei. Dies begründete das Landgericht u.a. damit, dass die DSGVO in Art. 80 Absatz 2 vorsehe, dass die von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Datenschutzaufsichtsbehörden zusätzlich mit einer Klagebefugnis ausgestattet werden können. Da der dt. Gesetzgeber dies gerade nicht ermögliche, seien andere Klagemöglichkeiten nicht gegeben.[3]
Das OLG Stuttgart vertrat dagegen nunmehr die Ansicht, dass diese Schlussfolgerung nicht stimme. Die Möglichkeit die in der DSGVO vorgesehen Datenschutzaufsichtsbehörden – an die sich z.B. Verbraucher mit Beschwerden richten können – mit Klagerechten auszustatten führe nicht dazu, dass anderen Personen oder Vereinigungen auf nationaler Ebene eine wettbewerbliche Klagemöglichkeit nicht eingeräumt werden könne. [4]
Das Gericht sah darüber hinaus in der Verpflichtung zur Datenschutzerklärung eine Regelung die zumindest auch den Schutz der wettbewerbsrechtlichen Interessen der Markteilenehmer anbetreffe (§ 3a UWG). Denn nur wenn der Verbraucher erkenne inwieweit seine Daten verwendet würden, könne er eine informierte Entscheidung im Geschäftsprozess treffen.[5] Im Ergebnis sah es das Gericht dementsprechend für zulässig an, das Unternehmen zu verpflichten, es in Zukunft zu unterlassen, ohne Datenschutzerklärung Kundendaten zu verwenden.
[1] Siehe dazu auch die Anmerkung von Gesmann-Nuissl, InTeR 2020, S. 99 f.
[2] Vgl. BGH Pressemitteilung Nr. 066/2020, abrufbar unter: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/2020066.html?nn=10690868
[3] LG Stuttgart ZD 2019, 366 Rn. 21 f.
[4] OLG Stuttgart, Urteil vom 27.2.2020, Az.: 2 U 257/19, Rn. 52 ff.
[5] Douglas, Art. 13 I und II DS-GVO sind Marktverhaltensregelungen: GRUR-Prax 2020, 163
Autor: Philipp Röder