BGH, Urteil vom 10.12.2020, Az. I ZR 153/17

Zum Sachverhalt – kurz zusammengefasst

In dem streitigen Verfahren stand außer Frage, das auf der Onlineplattform YouTube urheberechtlich geschützte Inhalte in Form von Spielfilmen in rechtsverletzender Weise hochgeladen wurden.[1] Die Rechteinhaberin wollte vorliegend erreichen, dass YouTube Auskunft über die E-Mail-Adressen und Telefonnummern sowie IP-Adressen derjenigen erteilt, welche die Filme hochgeladen hatten. YouTube argumentierte dagegen, dass das Gesetz nur das Recht auf Auskunft über die Wohnanschriften der Nutzer vorsehe. Was auf den ersten Blick merkwürdig erscheint, ist bei näherer Betrachtung einleuchtend. Anmeldevoraussetzung bei YouTube ist lediglich Name und E-Mail Adresse. Bei manchen Uploadvorgängen wird auch eine Telefonnummer vorausgesetzt. Die Rechteinhaberin verfolgte daher das Ziel zumindest die vorhandenen Kontaktdaten zu erlangen. Streitig war dabei vor allem die Auslegung der Urheberechtsgesetztes (UrhG) und der europäischen Richtlinie, welches die streitigen Passagen des UrhG umsetzt. Über mehrere Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof wurde diese Frage diskutiert. Am Ende hielt die Entscheidung des Landgerichtes Frankfurt am Main als erste Instanz.

Relevanz für Unternehmen

Für Unternehmen als Rechteinhaber stellt sich mitunter die Frage mit welchem Aufwand urheberrechtliche Verstöße im Internet verfolgt werden können. Plattformen haben nach bisherigem Rechtsverständnis keine Verpflichtung Rechtsverstöße aufzuspüren und zu löschen – ihnen werden gesetzlich Privilegien zuteil, so dass die Verletzten selbst gefordert sind, Verstöße umfassend zu ermitteln und anschließend gegen die rechtswidrig Agierenden vorzugehen. Wenngleich sich dies im Zuge der Reform des Urheberechts in Zukunft verschärfen wird (ein Entwurf zum Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz – UrhDaG liegt vor[2]), bleibt derzeit noch alleine das eigenverantwortliche Vorgehen gegen die rechtswidrig agierenden Nutzer erfolgsversprechend. Um die eigenen Rechte durchsetzen zu können, kann seitens des Verletzten u.a. Auskunft über die „Anschrift“ der Nutzer nach § 101 III UrhG von der Plattform verlangt werden.

Entscheidungsgründe  BGH

Der BGH hatte zu entscheiden, was unter „Anschrift“ auch im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung zu verstehen ist. Das europäische Recht in Form des Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG sieht als Auskunftsinhalt „Namen und Adressen“ vor. Um zu klären, ob darunter auch E-Mailadressen, IP-Adressen und Telefonnummer fallen, hatte der BGH zunächst den Europäischen Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren angerufen. Dieser entschied, dass die Richtlinie keine Ansprüche auf Auskunft von E-Mailadressen etc. vorsehe, aber verwies darauf, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten einen eigenen Spielraum zugestehe.

Daher plädierte die Klägerin weiterhin für eine für sie günstige Auslegung des deutschen UrhG. Der BGH hat nun den Begriff „Adresse“ eng ausgelegt und subsumiert darunter nur die postalische Anschrift. Dabei stellte der BGH vor allem auf die Gesetzesbegründungen zum UrhG ab. Bei Umsetzung der Richtlinie in den späten 2000er Jahren waren aber die technischen Gegebenheiten des Internets und das Vorhandensein von Mail-Adresse und Telefonnummern bekannt. [3] Der Gesetzgeber  hätte also durchaus ausdrücklich auch diese Auskünfte einbeziehen können, wenn er es gewollt hätte. Da er das nicht getan habe, könne sich der Auskunftsanspruch nach § 101 III UrhG auch nicht darauf erstrecken.

Ferner verneinte der BGH einen Auskunftsanspruch aus §§ 102 a UrhG, 242 BGB. Dafür fehle es schon an einer Rechtsverletzung durch die Internetplattform YouTube. Die weiterführenden Argumente der Vorinstanzen, dass ein solcher Anspruch dem Grunde nach auch nur Informationen zur Bezifferung des Schadens umfassen und gerade keine Information über die Person des Schadensverursacher beinhalten kann,[4] lässt der BGH unkommentiert.

Das Urteil ist ausführlich besprochen von Gesmann-Nuissl, in: InTeR 2021, Heft 1.

[1] Vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2020, Az. I ZR 153/1,  Rn. 15

[2]https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Urheberrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=7

[3] Vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2020, Az. I ZR 153/17 Rn. 26

[4] Vgl.  OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 22.08.2017 – 11 U 71/16

Autor: Philipp Röder | Februar 2021