Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25.01.2017, AZ: AN 4 K 15.00907
Zum Sachverhalt – kurz zusammengefasst:
Nach einer stichprobenartigen Überprüfung durch die (nach § 17 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG)) zuständige Aufsichtsbehörde lagen Anhaltspunkte vor, dass die Arbeits- beziehungsweise Pausenzeiten der Mitarbeiter der klagenden Arbeitgeberin[1] gegen das ArbZG verstoßen. Aufgrund dessen ordnete die beklagte Aufsichtsbehörde mit einem Bescheid gegenüber der Klägerin an, die Arbeitszeitnachweise von ihren Mitarbeitern vorzulegen.
Die Einhaltung des ArbZG überwacht das Gewerbeaufsichtsamt (im vorliegenden Fall als zuständige Aufsichtsbehörde im Freistaat Bayern)[2] und ist kraft Gesetz und insbesondere bei konkreten Hinweisen berechtigt, entsprechende Auskünfte vom Arbeitgeber (beispielsweise Arbeitszeitnachweise) zur Überprüfung zu verlangen, § 17 Abs. 4 S. 1 ArbZG. Die Klägerin ist als Arbeitgeberin grundsätzlich verpflichtet, die Mehrarbeit (über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden) aufzuzeichnen und die Aufzeichnungen für zwei Jahre aufzubewahren, § 16 Abs. 2 ArbZG. Gegen den Bescheid zur Vorlage der Arbeitszeitnachweise erhob die Klägerin Klage gegen das Gewerbeaufsichtsamt und beantragte, dessen Bescheid aufzuheben. Die Klägerin begründet dies damit, dass die Tatsachengrundlage der Entscheidung fehle und die Behördenakte unvollständig sei.
Relevanz des Falls:
Das ArbZG verpflichtet den Arbeitgeber die Mehrarbeit (über werktäglich acht Stunden hinaus) aufzuzeichnen, § 16 Abs. 2 ArbZG. Dies gilt grundsätzlich für alle Arbeitgeber. Das Gesetz berechtigt die zuständige Behörde, die Arbeits-, Pausen- sowie Ruhezeiten von Arbeitnehmern hinsichtlich der Einhaltung des gesetzlich vorgegebenen Rahmens zu kontrollieren, § 17 Abs. 4 S. 1 ArbZG. Der vorliegende Fall zeigt, dass die zuständige Aufsichtsbehörde von ihren Kontrollbefugnissen Gebrauch macht. Die Pflicht zur Aufzeichnung der Mehrarbeit und die Kontrollen durch die zuständige Behörde sind nicht auf die Branche des vorliegenden Falls beschränkt, sondern können exemplarisch auf sämtliche Branchen übertragen werden.
Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts:
Das VG bestätigt, dass der Bescheid, mit dem die Klägerin zur Vorlage der Nachweise aufgefordert wurde, rechtmäßig und verhältnismäßig ist.
Die Zulässigkeit des behördlichen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 1 ArbZG (Gesetzeszweck) in Verbindung mit § 17 Abs. 1 ArbZG (Durchführung des Gesetzes) – unter anderem, wenn die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer eine Überprüfung der Arbeitszeitgestaltung erfordern. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage von Informationen zu verlangen, die zu der Überprüfung „erforderlich“ (§ 17 Abs. 4 ArbZG) sind. Der Arbeitgeber ist auch dann zur Auskunft gegenüber der Behörde verpflichtet, sofern kein konkreter Verdacht eines Verstoßes besteht.[3] Die Befugnisse der Behörde finden ihre Grenze in einer anlasslosen, verdachtsunabhängigen Kontrolle, die lediglich beabsichtigt die behördliche Arbeit zu erleichtern und vielmehr ein allgemeines und ungezieltes Ausforschen darstellt.[4] Im vorliegenden Fall wurden im Rahmen einer stichprobenartigen Überprüfung Anhaltspunkte festgestellt, die einen Verstoß gegen das ArbZG vermuten ließen. Um die Einhaltung der arbeitszeitlichen Vorgaben des ArbZG beurteilen zu können, ist die Überprüfung der Aufzeichnungen über die Mehrarbeit zwangsläufig erforderlich.
Die Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das ArbZG stützt die Behörde darauf, dass zwei Angestellten bei der behördlichen Kontrolle nicht bekannt war, wann sie eine Arbeitspause einlegen konnten.[5] Laut der Geschäftsleitung ist den Mitarbeitern ein zeitlicher Korridor zu Beginn der täglichen Arbeitszeit bekannt, in dessen Rahmen die Pause einzulegen ist. Dieses Argument reicht nicht aus, um die Anhaltspunkte auszuräumen, da diese Regelung den Mitarbeitern bei der Befragung durch den Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes offenbar nicht bekannt war. Die Anhaltspunkte waren bei der Kontrolle von zwei Filialen vorzufinden. Die Pflicht zur Vorlage der Arbeitszeitnachweise bezieht sich zudem auf eine weitere dritte Filiale, die zuvor nicht kontrolliert wurde. Dies ist zulässig, da die Pausenregelung in allen Filialen gleichermaßen angewandt wird, wodurch die Behörde möglicherweise befugt gewesen wäre, entsprechende Nachweise für sämtliche Filialen der Klägerin zu verlangen. Die Beschränkung auf drei Filialen ist ein Zeichen dafür, dass die angeordnete Maßnahme der Behörde jedenfalls verhältnismäßig ist – es gibt kein milderes Mittel, mit dem die Behörde gleichermaßen die Einhaltung des ArbZG überprüfen könnte.
Im vorliegenden Fall besitzt der Bescheid die Form eines Verwaltungsaktes[6], in Folge dessen eine Anhörung der Klägerin erforderlich gewesen wäre, da der Bescheid (der eine Verpflichtung zur Nachweiserbringung beinhaltet) einen belastenden Verwaltungsakt darstellt. Dies wurde zunächst von der Behörde unterlassen, jedoch im Rahmen des Gerichtsverfahrens nachgeholt, so dass dieser Verfahrensfehler geheilt wurde und somit unerheblich ist. Mit der Anordnung zur Vorlage der entsprechenden Arbeitszeitnachweise bewegt sich die Behörde außerdem innerhalb der gesetzlich eingeräumten Befugnisse (§ 17 Abs. 4 ArbZG).
Im Ergebnis hat das VG Ansbach geurteilt, dass die Klägerin die Aufzeichnungen über die Mehrarbeit ihrer Angestellten der Behörde vorzulegen hat. Im Nachgang hat somit die Behörde die Möglichkeit zur Überprüfung, ob die Angestellten der Klägerin gegen die arbeitszeitgesetzlichen Vorgaben verstoßen. Sollte ein Verstoß gegen die werktäglich höchstzulässige Arbeitszeit (§ 3 ArbZG) oder die mindestens einzuhaltenden Ruhepausen (§ 4 ArbZG) vorliegen, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße bis zu € 15.000 geahndet werden, § 22 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ArbZG.
Autorin: Kathrin Nitsche | Mai 2017
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Fußnoten:
[1] Die Klägerin betreibt Parfümerien an verschiedenen Standorten.
[2] Die Einhaltung des ArbZG überwacht die zuständige Behörde nach Landesrecht, § 17 Abs. 1 ArbZG. Im Freistaat Sachsen sind die zuständigen Behörden ebenfalls die Gewerbeaufsichtsämter.
[3] Dazu beispielsweise: Kock, § 17 Aufsichtsbehörde, in: Rolfs/Kreikebohm u.a. (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 2017, Rn. 7.
[4] Zur konkreten (verdachtsunabhängigen) Kontrolle der Arbeitszeiten hinsichtlich der Einhaltung des ArbZG kann die Behörde die dafür erforderlichen Nachweise verlangen, jedoch keine darüberhinausgehenden Informationen, die für die infrage stehende Kontrolle tatsächlich nicht notwendig sind. Dazu: Kock, § 17 Aufsichtsbehörde, in: Rolfs/Kreikebohm u.a. (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 2017, Rn. 8.
[5] Gemäß § 4 S. 1 ArbZG haben die Ruhepausen im Voraus festzustehen. Das bedeutet, dass zu Beginn der täglichen Arbeitszeit wenigstens ein Zeitraum definiert sein muss, in dem die Ruhepausen einzulegen sind. Dazu auch: Wank, § 4 Ruhepausen, in: Müller-Glöge/Preis u.a. (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2017, Rn. 4.
[6] In der Literatur wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass ein Auskunftsverlangen nicht zwingend einen Verwaltungsakt darstellen muss (was ebenfalls das VG bemerkt), dazu: Kock, § 17 Aufsichtsbehörde, in: Rolfs/Kreikebohm u.a. (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 2017, Rn. 7; Wank, § 17 Aufsichtsbehörde, in: Müller-Glöge/Preis u.a. (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2017, Rn. 4. Andere Ansicht: Baeck/Deutsch, § 17 Aufsichtsbehörde, in: Baeck/Deutsch u.a. (Hrsg.), Arbeitszeitgesetz, Kommentar, 2014, Rn. 22; Vogelsang, § 156. Höchstdauer der Arbeitszeit, in: Schaub (Hrsg.), Arbeitsrechts-Handbuch, 2015, Rn. 62.